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#41 Du bist wichtig - Über Pausen, Erkenntnisse und Veränderungen

Es ist Anfang Juli, die erste Jahreshälfte ist vorbei und eigentlich läuft gerade alles besser, als ich es mir wünschen könnte. Letzte Woche hat mein Praktikum geendet, ich habe die Zusage auf eine feste Anstellung bekommen, die sich wunderbar mit dem Blog vereinbaren lässt. Mein Blog erscheint auf der ersten Seite bei Google, fast täglich kommen neue Leser dazu. Gleichzeitig erreichen mich so viele Nachrichten über Instagram, in denen ich um Rat gefragt werde. Ich habe das Gefühl, Mehrwert vor allen Dingen aber wirklich Hilfe bieten zu können. Und dann ist da noch mein Studium. Nur noch die Abschlussarbeit und ich bin tatsächlich ausgebildete Journalistin.

 

Eigentlich sollte ich glücklich sein. Die Wahrheit ist: Ich bin es nicht. Ich bin einfach nur unglaublich erschöpft. Müde und erschöpft.

Vergiss das Leben nicht!

Ich habe letztes Jahr meinen Vollzeitjob gekündigt und mir Zeit gegeben, um zu heilen. Um Klarheit darüber zu erlangen, wer ich bin, was ich will. Um meine Fühler neu auszustrecken und mich umzuorientieren. Natürlich sehe ich, dass ich gewachsen bin. Ich sehe es an den Ergebnissen in meinem Leben und spüre es den Großteil der Zeit in meiner Innenwelt.

 

Den Großteil, weil mir jetzt erst bewusst wird, was ich bei all dem vergessen habe:

 

Pausen.

Und Leben.

Den Laptop zuklappen, meinen Freund schnappen und übers Wochenende wegfahren. Ausschlafen, den ganzen Tag rumlümmeln und Frühstück im Bett. Oma besuchen, Kaffee trinken und den besten Käsekuchen der Welt essen. Spontan sein und einfach mal zusagen, wenn meine Freundinnen anrufen. Lange aufbleiben, Wein trinken und um 2 Uhr nachts Pizza bestellen.

 

Letztendlich habe ich da weitergemacht, wo ich vor einem Jahr aufgehört habe. Springe zwischen Arbeit, Studium, Blog, Instagram, Haushalt und meinem Privatleben hin und her, habe das Gefühl, keinem dieser Dinge wirklich gerecht zu werden, geschweige denn mal Luft zu holen. Zu genießen, wenn ich in einer Sache erfolgreich war. Oder zu reflektieren, wenn etwas nicht geklappt hat. All diese Gefühle stauen sich an. Wie kleine Wassertropfen, die verdunsten und eine dicke, fette Regenwolke bilden. Je länger ich sie ignoriere, desto dicker und fetter wird die Wolke. Bis sie sich irgendwann über mir entlädt und mir unmissverständlich zeigt: Es reicht! Du kannst nicht mehr! Schau endlich hin!

Ein gesellschaftliches Problem? 

Wir leben in einer Welt, in der man dafür anerkannt wird, leistungsfähig zu sein. Wir bemessen unseren Wert daran, wie viel wir leisten und nicht daran, wie es uns geht. Viel arbeiten, ständig beschäftigt sein und permanent unter Strom stehen – für die meisten Menschen ist das normal. Und wenn einer anfängt, erhöht das automatisch den Druck auf alle anderen. Man fängt an, seine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Sie zu ignorieren, weil es doch weiter gehen muss. Minutengenau plant man den Tag voraus. Das schaffe ich auch noch. Irgendwie kriege ich das hin. Die anderen können es doch auch.

 

Und es mag ja sein, dass es Menschen in deinem Umfeld gibt, die ihren Alltag problemlos stemmen.

Wir fangen an, uns zu vergleichen und glauben, irgendetwas falsch zu machen.

Falsch zu sein.

Einfach nicht gut genug.

 

Die Sache ist die:

Von außen sieht es meistens einfacher aus als es sich von innen anfühlt. Der Weg aus der Essstörung ist eigentlich das beste Beispiel dafür. Hat man zugenommen, isst man regelmäßig und ausreichend, erweckt das schnell den Anschein, als wäre alles okay. Als wäre man über den Berg. Geheilt. Du weißt selbst, dass es im Innen ganz anders aussehen kann.

 

Wie du erzählen auch andere nicht so leicht, was sie beschäftigt. Es können Eheprobleme sein, vielleicht kommen sie aber auch mit ihrer Arbeit nicht zurecht oder leiden unter Panikattacken. Nein, nicht alle Menschen haben Probleme, die man behandeln muss.  Aber alle Menschen haben ab und zu Fragen, auf die sie Antworten finden wollen. Und alle Menschen erleben das Leben, das unweigerlich Herausforderungen mit sich bringt. Für jeden. Vielleicht hilft dir die Erkenntnis, dass es den anderen geht wie dir. Dass viele Menschen sich mit irgendeinem Thema beschäftigen, das sie aber nicht offen auf der Brust tragen und deshalb so „normal“ auf dich wirken, wie du möglicherweise auch auf sie wirkst.

 

Ist das nicht verrückt? Dass so viele Menschen da draußen herumlaufen, die ähnliche oder sogar die gleichen Probleme haben wie du? Und dass jeder dieser Menschen glaubt, allen anderen und vor allen Dingen sich selbst beweisen zu müssen, wie stark er doch ist? Dass er mithalten kann?

Wie wäre es, wenn wir stattdessen versuchen, andere Menschen nicht länger in Trennung oder im schlimmsten Fall als Konkurrenten zu betrachten? Aufhören, unsere Grenzen mit ihren zu vergleichen, weil wir zum einen ohnehin alle individuell sind, zum anderen aber auch in den allermeisten Fällen eine gemeinsame Überzeugung miteinander teilen: Die Überzeugung, nicht gut genug zu sein. Wie wäre es mit ein bisschen mehr Liebe? Dem anderen ein Lächeln schenken und ihm dadurch ein Zeichen geben:

Ich sehe deine Angst. Ich erkenne und verstehe sie, weil ich sie auch habe. 

Was du nicht vergessen darfst, ist außerdem, dass der Weg aus der Essstörung verdammt anstrengend ist. Ein Vollzeitjob. Du hast vielleicht das Gefühl, nicht produktiv zu sein. Nichts zu leisten. Und doch sage ich dir: Die Entscheidung für Heilung, die du jeden Morgen aufs Neue treffen und dir mehrmals am Tag ins Bewusstsein zurückrufen musst, ist genug. Sag nicht, dass das nichts ist. Es ist etwas! Überleg doch mal: Wie oft am Tag hältst du stand, wenn die Gedanken übermächtig werden? Wenn die Gefühle kaum auszuhalten sind? Wenn es eigentlich leichter wäre, den essgestörten Handlungen nachzugehen? Merkst du was? Das allein kostet jeden Tag Kraft und Energie. Du tust genug. Und du bist genug!

Leben statt funktionieren

Eine Frage, die du dir stellen kannst, ist folgende: Was glaubst du denn, was passieren müsste, damit du endlich verstehst, dass du gut genug bist?

 

Das Paradoxe ist ja, dass wir uns basierend auf dem Glauben, nicht gut genug zu sein, permanent beweisen wollen, dass wir sehr wohl gut genug sind. Wir pushen uns zu Höchstleistungen und rennen dadurch metaphorisch gesprochen immer einer Möhre hinterher, an die wir niemals rankommen. Denn kaum haben wir ein Ziel erreicht, stellen wir fest: „Das war’s nicht!“. Und weiter geht’s. Auf zu neuen Ufern. Es ist ein ewiger Kreislauf.

 

Und hey, ich bin keinesfalls befreit davon. Immerhin ist es ja genau das, was ich das ganze letzte Jahr über gemacht habe. Jetzt erst leuchtet es mir ein: Glück im Außen hat nicht zwangsläufig etwas mit Glück im Innen zu tun. Ganz zu schweigen davon, dass ich das Glück im Außen ohnehin nur spüren kann, wenn ich Glück im Innen empfinde. Wenn ich mit mir im Reinen bin. Nicht emotional abgestumpft. Wenn ich lebe. Und nicht einfach nur funktionieren.

 

Das ist es, was ich will: Ich möchte nicht funktionieren. Ich möchte leben.

Ich weiß nicht, wie oft ich mir in den letzten Jahren in den unterschiedlichsten Situationen gedacht habe „Das musst du jetzt eben aushalten!“, oder „Das kriegst du schon irgendwie hin.“. 

Es waren jedenfalls unzählige Male. Unzählige Male, in denen ich mich selbst verneint habe. Im Kleinen wie im Großen. Und ich habe dir schon oft erzählt, dass Selbstakzeptanz eine wichtige Rolle auf meinem Heilungsweg spielt. Jetzt erst verstehe ich, dass es bei Selbstakzeptanz nicht nur darum geht, meine bunten Eigenschaften anzunehmen. Sondern auch darum, mich als Menschen anzuerkennen, der Grenzen hat. 

 

Und dazu gehört, dass ich im Zweifel erst einmal für mich da sein darf, bevor ich für andere da sein kann. 

Du bist genauso wichtig wie alle anderen

Ich weiß, dass das im Außen nie von mir erwartet wurde. Dass mein Freund, meine Freunde, vielleicht sogar du mir zustimmen und sagen würdest: „Natürlich darfst du das!“. Und andersherum würde ich meinem Freund, meinen Freunden wie auch dir raten, das Gleiche zu tun.

 

Leider gehen wir mit uns selbst so oft so hart ins Gericht. Und gestehen uns das dann einfach nicht zu. Dabei sind wir nicht weniger wert als alle anderen! Wir dürfen also anfangen unseren Selbstwert zu verinnerlichen. Wir dürfen erkennen, dass wir das Gleiche verdient haben, wie alle anderen! Unabhängig davon, welcher Arbeit wir nachgehen, wie gut wir in der Schule sind, wie wir aussehen, was wir haben oder nicht haben. Es ist dein Leben! Das macht dich zur wichtigsten Person für dich selbst!

 

Und ich verstehe, wenn sich das für dich erst einmal komisch anhört. Wenn du denkst, dass das egoistisch klingt. Das liegt aber einzig und allein daran, dass wir mit der Einstellung aufwachsen, dass nur wer für andere da ist, ein wirklich guter Mensch ist. Kinder denken immer zuerst an sich. Wollen das Spielzeug für sich allein oder das größte Stück vom Kuchen haben. Das ist evolutionsbedingt einfach so.

Mit der Zeit lernen wir dann, dass es „Peter und ich“ heißt, nicht „Ich und Peter“. Klar, das ist eine Höflichkeitsfloskel, aber ich glaube, du weißt, worauf ich hinaus will. Wir lernen, für andere da zu sein, uns für andere aufzuopfern und unsere eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen.

 

Doch so wie es uns beigebracht wird, wird es anderen ja auch beigebracht. Soll heißen, dass wir mit der Vorstellung aufwachsen, andere seien wichtiger als wir. Und andere wachsen mit der Vorstellung auf, dass wir wichtiger seien als sie. Schlussendlich sind wir alle gleich wichtig. Wie man es auch dreht und wendet.

Veränderungen - bei mir & auf dem Blog

Für andere da zu sein, ist eine echt gute Sache! Ich möchte nicht, dass das falsch rüberkommt.

Worum es geht, ist, dass wir gar nicht wirklich für andere da sein können, wenn es uns nicht gut geht.

Und das ist, was mir in den letzten Wochen glasklar geworden ist. Ich öffne Instagram, sehe, wie viele unbeantwortete Nachrichten ich habe und spüre einen unfassbaren Druck in mir aufsteigen. Druck, alles möglichst schnell zu beantworten. Gleichzeitig möglichst ausführlich. Weil ich die Verzweiflung, die ich aus euren Nachrichten raus lese, ja bestens kenne. Also antworte ich, was nicht immer ganz leicht ist. Jede Antwort erfordert, mich emotional auf eure Situation einzulassen. Mich daran zu erinnern, wie dieses oder jenes bei mir war. Wie ich mich hier oder da gefühlt habe. Aus diesem Grund hallen die Nachrichten in mir unglaublich lang nach.

 

Doch gerade, weil ich mir damals jemanden wie mich gewünscht hätte, jemanden, der mich versteht und mir etwas Hilfreiches mit auf meinen Weg geben kann, versuche ich präsent zu sein. Content zu bieten. Immer mehr Menschen zu erreichen, die keine Hoffnung mehr haben. Als Konsument sieht man nur das Endprodukt. Aber nicht das, was dahintersteckt.

 

Bitte versteh mich nicht falsch. Ich möchte nicht undankbar wirken. Ich habe es schon oft gesagt und sage es noch einmal: Ich bin unendlich dankbar und glücklich, wenn ihr mir Nachrichten schreibt, auf Postings oder einen neuen Blogartikel reagiert. Und glaubt mir, ich biete all das von Herzen gerne. Das ist aber auch der Grund, aus dem es eben nur funktioniert, wenn ich es tue, weil ich es liebe und nicht, weil ich das Gefühl habe, ich muss. 

Ich habe mir in den letzten Tagen viele Gedanken darüber gemacht, wie ich mir mehr Raum geben und ruhiger werden kann. Wie ich zukünftig alles unter einen Hut bringe.  Wie ich wieder mehr Zeit habe für Dinge, die allein mir guttun und bei denen ich meine Akkus wieder aufladen kann.

 

Es hat mich eine Menge Überwindung gekostet, diese Entscheidung für mich zu treffen und doch weiß ich, dass mich das wieder einen Schritt weiter auf meinem Weg bringt. Dass ein „Stopp, ich schaffe das nicht.“ ein wichtiger Bestandteil von Selbstliebe, -akzeptanz und -fürsorge ist.

Dass es wichtig ist, für mich einzustehen und ein „Nein“ zu anderen, ein „Ja“ zu mir sein kann.

Der Blog bleibt natürlich. Wie gesagt: Es ist das, was ich liebe und von Herzen gerne mache. Zukünftig werden die Artikel aber in einem Turnus von 2 Wochen erscheinen. Natürlich kommen auch weiterhin Storys und Postings auf Instagram. Doch das Hauptaugenmerk liegt auf dem Blog. Ich werde mir Zeitfenster einräumen, in denen ich Insta-Messages beantworte. Solltest du ein dringendes Anliegen haben oder akut Hilfe benötigen, bitte ich dich, mir über das Kontaktformular auf meinem Blog zu schreiben. Ansonsten hab einfach etwas Geduld, wenn ich nicht sofort zurückschreibe. Du weißt dann, woran es liegt, kannst dir aber sicher sein, dass du eine Antwort von mir bekommst.

 

Nach wie vor bin ich drauf und dran, das buntezebras #get-together aufzubauen. Eine Gruppe, die speziell für den Austausch untereinander vorgesehen ist. Eine Gruppe, in der ich für dich da sein und persönlich auf deine Fragen eingehen kann. Solltest du Interesse haben, Teil dieser Gruppe zu werden, darfst du mir natürlich gerne schreiben. Genauere Infos erhältst du dann, sobald alles steht.

 

Was ich dir gerne noch mitgeben möchte, ist, dass dieser Blogbeitrag nicht dazu gedacht war, auf den Punkt zu bringen, dass ich mich überfordert fühle. Ich weiß, dass ich mit all meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein bin. Ich weiß, dass es gut sein kann, dass du dich in meinen Worten wiedererkennst und es auch in deinem Leben Dinge gibt, von denen du glaubst, sie durchziehen zu müssen. Weil du Angst hast, Schwäche zu zeigen. Weil du Angst hast, wie andere Menschen reagieren.

 

Deswegen ist dieser Blogartikel vor allen Dingen da, um nicht nur mir, sondern auch dir zu sagen:

Es ist okay, einen Gang runterzuschalten.

Es ist okay, eine Pause einzulegen.

Du bist wichtig!

Und du bist immer genug!

 

Alles Liebe, 

deine Saskia

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