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#24 Kleidung als Trigger auf dem Weg aus der Essstörung + Shopping-Tipps

Klamotten waren für mich schon immer ein Trigger. Ich habe sehr früh angefangen, meinen Selbstwert von meiner Kleidergröße abhängig zu machen.

Ich erinnere mich noch heute daran, wie ich mit gerade einmal 12 Jahren in der Umkleidekabine von H&M stand und mehrere Jeans anprobierte, die mir nicht passten. Damals kam mir gar nicht in den Sinn, den Fehler nicht bei mir, sondern bei den Hosen zu suchen, die schlichtweg nicht für meine damalige Figur  gemacht waren. Ich habe mich zutiefst geschämt und war der festen Überzeugung, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. An diesem Tag habe ich beschlossen, meine erste Diät zu machen. 

Wenn die Kleidung nicht mehr passt...

Heute blicke ich auf mehr als zehn Jahre mit Essstörung zurück. Zehn Jahre, in denen ich meinen Körper einem mehrmaligen Wechsel zwischen Unter- und Normalgewicht ausgesetzt habe. Zehn Jahre, in denen sich deswegen auch Klamotten für alle Lebenslagen anhäuften. Kleider, Hosen, Röcke, T-Shirts oder Pullover in allen Formen, Farben und in allen Größen.

 

In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass ich Kleidungsstücke aus meinem Schrank ziehe, die mir nicht mehr passen. Jedes Mal fühle ich mich in mein 12. Lebensjahr zurückversetzt. Auf einmal bin ich wieder das kleine Mädchen, das glaubt zu dick und deswegen irgendwie nicht gut genug zu sein.

 

Obwohl ich mich längst für die Heilung meiner Essstörung entschieden habe und wusste, dass eine Zunahme für mich dabei unumgänglich ist, fiel es mir bislang sehr schwer, wirklich ehrlich zu mir zu sein und mir einzugestehen, welche Klamotten mir a) nicht mehr und b) im Idealfall nie wieder passen. Denn während die Zahl auf der Waage für mich nie wirklich greifbar war, waren meine Klamotten für mich quasi der „lebende Beweis“, ob ich zu- oder abgenommen habe. 

Sich von Kleidungsstücken trennen

Letztes Wochenende war es so weit:

Ich habe meinen Kleiderschrank aussortiert und mich von Kleidungsstücken getrennt, die mir nicht mehr passen, die mich an meine Essstörung erinnern und die mir generell einfach kein gutes Gefühl geben.

Das war ein schmerzhafter, gleichzeitig aber auch ein so wichtiger, fast schon befreiender Schritt. Weil ich damit ein Zeichen gegenüber meiner Essstörung gesetzt habe: Ich bin nicht mehr das 12-jährige Mädchen. Ich muss mich nicht über meine Kleidergröße definieren. Ich darf Klamotten tragen, die mir passen. Ich darf Klamotten tragen, in denen ich mich wohlfühle.

Und ich verabschiede mich von dem Gedanken, dass Heilung für mich nicht möglich ist, ich sowieso wieder rückfällig werde und die Klamotten, die mir aktuell zu klein werden, dann ja eh wieder brauche.

Die Angst vor neuen Klamotten

Beflügelt von den Erkenntnissen, die ich beim Ausmisten hatte, habe ich direkt ein paar neue Hosen bestellt. Dass das Paket fast eine Woche lang im Flur stehen würde, weil ich mich auf einmal fürchtete, die Hosen anzuprobieren, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ich hatte Angst, die neuen Klamotten anzuprobieren und festzustellen, dass sie nicht passen. Ich hatte Angst vor dem Gefühl, das dadurch in mir ausgelöst wird und Angst, mich letztendlich so getriggert zu fühlen, dass ich auf meinem Heilungsweg zurückgeworfen werde.

Shopping-Tipps

Ich musste also feststellen, dass der gesamte Prozess - Kleidung aussortieren, neue Teile einkaufen und anprobieren - für mich sehr herausfordernd ist. Deswegen habe ich mir einige Schritte überlegt, um ihn sowohl mir, als auch dir, zukünftig zu erleichtern. 


  • Ausmisten:

Trenne dich von Kleidungsstücken, in denen du dich unwohl fühlst, die dich an deine Essstörung erinnern und die dir schlichtweg nicht mehr passen.

  • Schreibe dir eine Einkaufsliste:

Notiere die Kleidungsstücke, die du wirklich brauchst. Dadurch kannst du gezielter einkaufen und fühlst dich von dem Überangebot nicht sofort überwältigt.

  • Hol dir Unterstützung: 

Du musst das nicht allein schaffen. Bitte deine Mutter, deinen Partner oder eine*n Freund*in, dich zum Einkaufen zu begleiten oder, falls du online bestellst, dabei zu sein, wenn du die Teile anprobierst. 

Auch mein Freund hat irgendwann zu mir gesagt „Komm, wir probieren das jetzt!“. Dank seiner Unter-stützung fiel es mir gleich leichter.  

  • Wahrnehmen:

Wenn du bemerkst, dass Gedanken oder Gefühle hochkommen, die du ungerne denken oder fühlen möchtest, darfst du eine Pause einlegen. Hilfreich ist es auch, mit deiner Begleitperson darüber zu sprechen.

  • Wie fühlst du dich?

Kaufe nur Klamotten, die dir ein gutes Gefühl geben. Unabhängig davon, welche Größe auf dem Etikett angegeben ist. Bedenke dabei, dass Kleidergrößen immer am menschlichen Durchschnitt bemessen sind. Dabei ist jeder Mensch anders. Wir lassen uns nicht alle über einen Kamm scheren. Wenn du das verstehst, fällt es dir schon leichter, Kleidergrößen nicht als Trigger zu empfinden.

  • Hab Spaß!

Neue Klamotten einzukaufen kann dir dabei helfen, herauszufinden, wer du ohne deine Essstörung bist. Nutze die Chance, unterschiedliche Dinge anzuprobieren, um festzustellen, was dir wirklich gefällt. Probiere auch Dinge an, die du total schrecklich oder einfach nur witzig findest – einen plüschenen Onesie, eine herzförmige Sonnenbrille, einen Hut. Du darfst Spaß haben und auch einfach mal über dich lachen.

  • Nimm den Druck raus!

Es ist okay, dass von Zeit zu Zeit negative Gedanken und Gefühle hochkommen. Es ist auch okay, wenn es beim ersten Anlauf noch nicht funktioniert. Verstehe, dass es sich, wie bei deinem gesamten Heilungsweg, auch hier um einen Prozess handelt. Morgen ist ein neuer Tag.


Einige meiner aussortierten Klamotten habe ich auf Vinted hochgeladen. Du findest mich dort unter saskia_michellee. Ich würde mir wünschen, dass sie dort einen neuen Besitzer finden.

Wenn du Lust hast, kannst du gerne vorbeischauen, dich umsehen und gucken, ob dir etwas gefällt.

 

Ich hoffe, dass dich dieser Beitrag unterstützt, dir den Prozess erleichtert und du einige der Tipps für dich umsetzen kannst.

Lass mir gerne einen Kommentar da und erzähle mir, was du für dich mitnimmst. Ich freue mich von dir zu hören.

 

Alles Liebe,

deine Saskia 


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