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#45 Selbstbewusst und voller Vertrauen - wie die Essstörung mich selbst-bewusst gemacht hat

So schön, dass du hier bist, mir deine Zeit schenkst und diese Zeilen liest. Das Thema, über das ich heute schreiben möchte, ist „Selbstbewusstsein“. Ein so großes Thema, über das es so viel zu sagen gibt.

 

Eigentlich.

 

Obwohl ich schon eine Weile darüber nachgedacht habe, einen Blogartikel über „Selbstbewusstsein“ zu schreiben, habe ich irgendwie keinen vernünftigen Anfang für diesen Beitrag gefunden. Ich war mir sicher, dass es kein 0815-Stärke-dein-Selbstbewusstsein-in-drei-Schritten-Text werden soll, weil ich genau das aus Büchern oder Zeitungsartikeln kenne und weiß: Das hilft nicht wirklich. Oder – zumindest mir nicht.

 

Die Frage ist: Wieso nicht einfach über etwas anderes schreiben? Etwas, das mir leichter von der Hand geht. Aber irgendwie ist doch genau das der Punkt: Wir schieben Dinge, die uns unangenehm sind, häufig weg. Nach dem Motto „Das mach ich später.“ Woran liegt das? Dass wir uns verstecken wollen? Unsicher sind? Glauben, dieses oder jenes nicht zu schaffen? Dass es jemand anderes besser kann als wir?

 

Sind wir damit nicht schon beim Thema angekommen? 

Bist du selbstbewusst? - Ja, nein, vielleicht.

Wenn ich mir heute Bilder aus meiner Wettkampfzeit als Bikiniathletin anschaue, erkenne ich mich selbst kaum wieder.

 

Das liegt aber nicht nur daran, dass ich auf diesen Bildern topgestylt und durchtrainiert in einem knappen Bikini pose, sich mein Körper in der Zwischenzeit verändert hat und ich mich im Alltag nie so stark schminken würde. Es liegt vor allen Dingen daran, dass ich auf diesen Bildern so selbstbewusst wirke.

 

Dann denke ich daran, wie ich mir vor Kurzem ein neues Auto gekauft habe. 

Weil weder mein Papa noch mein Freund oder Bruder Zeit hatten, mich ins Autohaus zu begleiten, war ich allein dort. Ich habe mich selten so unsicher gefühlt. Hatte keine Ahnung, welche Fragen ich stellen, geschweige denn wie ich am besten verhandeln sollte. Ich wäre am liebsten mitten im Gespräch aufgestanden und gegangen. Glücklicherweise habe ich einen echt netten Verkäufer erwischt, der mir gegenüber eine Menge Mitgefühl aufgebracht hat – ansonsten hätte ich, glaube ich, echt keinen guten Deal gemacht. 

 

Ist es nicht kurios, wie ein und derselbe Mensch in zwei unterschiedlichen Situationen komplett unterschiedlich auftreten kann? Und vielleicht kennst du dieses Verhalten von dir: Momente, in denen du dich sicher fühlst und das auch ausstrahlst, aber auch Momente, in denen du am liebsten im Erdboden versinken würdest. Vielleicht kennst du dieses Verhalten aber auch aus deinem Umfeld. Warst du nicht auch schon einmal überrascht, wenn ein Freund, eine Freundin, ein Kollege oder eine Kollegin in einer Situation vollkommen ängstlich und eingeschüchtert gewirkt haben, wo er bzw. sie doch sonst immer so selbstbewusst rüber kommt?

 

Ich persönlich bin total selbstbewusst, wenn es um meine Leidenschaft geht. Vor zwei Jahren hat der Sport (leider aus einer falschen Intention heraus) das Feuer in mir entfacht. Heute sind es mein Beruf oder der Blog, was mich zum Brennen bringt. Wenn ich kreative Projekte im Büro umsetze oder schreibe, komme ich in einen „Flow-Zustand“. Ich weiß, dass man die Liebe, die ich da reinstecke im Endergebnis sehen bzw. spüren kann. Ich weiß, dass ich damit etwas bewegen kann. Das macht mich sicher.

 

Andererseits fühle ich mich alles andere als selbstbewusst in Gruppen, weil ich Angst habe, nicht gemocht zu werden oder vorlaut zu wirken, wenn ich mich aktiv einbringe. Ich fühle mich nicht selbstbewusst in Situationen, die mir neu sind, weil ich Angst habe, dass man mir anmerkt, dass ich XY zum ersten Mal mache. Auch in meinem Körper fühle ich mich oft noch nicht selbstbewusst. Es fällt mir schwer, in den Spiegel zu schauen und wenn ich es tue, wünsche ich mir oft, jemand anderes zu sein. 

Wie du dein Selbstbewusstsein nicht stärkst

Kennst du den Spruch „Fake it till you make it“ ?

In den allermeisten Fällen wird genau das empfohlen, wenn es darum geht, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken.

 

Uns wird nahegelegt, „einfach“ zu lächeln, zu uns zu stehen und unsere Meinung zu sagen – dann kommt das Selbstbewusstsein schon von ganz allein.

 

Es mag Menschen geben, für die das tatsächlich funktioniert. Für mich funktioniert es nicht. 

 

Zum einen, weil es natürlich leicht gesagt ist, dass man beispielsweise „einfach“ seine Meinung sagen soll. Was aber, wenn eine introvertierte und hochsensible Person ihre Meinung einfach nicht sagen kann? Ich erinnere mich an unzählige Momente, in denen ich mir in Gedanken vorgenommen habe, genau jetzt etwas zu sagen und dann doch stumm geblieben bin. In solchen Momenten mache ich zu. In solchen Momenten spüre ich eine innere Hürde, die ich einfach nicht überwunden bekomme.

 

Und ist es nicht auch so, dass man auf die Art doch nur eine Maske aufsetzt und vorgibt, jemand zu sein, der man eigentlich gar nicht ist. Dadurch entfernt man sich doch von seinem wahren Selbst, bestätigt noch den Glaubenssatz, falsch zu sein, so wie man ist und macht im Endeffekt genau das Gegenteil von dem, was das eigene Selbstbewusstsein wirklich stärken würde.

Wie du dein Selbstbewusstsein wirklich stärkst

Um wirklich selbstbewusster zu werden, dürfen wir uns beobachten und aufdecken, wann wir uns sicher fühlen und wann nicht.

 

Hinter unserer Unsicherheit stecken negative Glaubenssätze und Überzeugungen, entstanden durch verschiedenste Erfahrungen oder eine Erziehung, die uns bewusst oder unbewusst geprägt haben.

 

Hier dürfen wir ansetzen, genau hinschauen und uns fragen: Stimmt das, was ich über mich denke, eigentlich wirklich?

Vielleicht hast du schon gemerkt, dass Selbstbewusstsein in meiner Welt sehr viel mit dem „Fühlen“ zu tun hat. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Die meisten Menschen haben nämlich eine ganz andere Auffassung von Selbstbewusstsein. Was verstehst du denn unter Selbstbewusstsein? Ist es ein souveränes Auftreten? Die Abwesenheit von Schüchternheit? Bauch rein, Brust raus?

 

Die Sache ist die: Bei den genannten Punkten handelt es sich um Dinge, die im Außen stattfinden, die sich demnach auch im Außen bemessen lassen und nicht wirklich etwas mit dem „Fühlen“ zu tun haben. Souverän aufzutreten, nicht schüchtern zu sein und mit erhobener Brust durch die Welt zu gehen hängt mit einem gesunden Selbstbewusstsein zusammen, klar. Doch meiner Meinung nach reicht das nicht.

 

Die Frage ist ja: Wo kommt das her? Und noch viel wichtiger: Wie kommt man da hin?

 

Wir dürfen verstehen, dass Selbstbewusstsein weniger der Applaus von anderen als vielmehr ein innerer Zustand ist. Selbstbewusstsein ist nichts, was im Außen entsteht, es kommt aus dem Innersten. Nur wer Selbstbewusstsein im Innen spürt, kann dieses auch authentisch nach Außen projizieren. 

Wo Selbstbewusstsein herkommt

Selbstbewusstsein kommt zu einem großen Teil aus Selbstvertrauen. Es geht darum, sich selbst zu vertrauen. Doch nicht nur das. Auch das Vertrauen ins Leben spielt eine Rolle. Selbstvertrauen ist das, was uns optimistisch, sorglos und unbekümmert handeln lässt.

 

Auf meinem Blog und im Podcast ging es schon oft um das Gefühl, „anders“ zu sein. Dadurch, dass ich mich schon in meiner Kindheit irgendwie „anders“ gefühlt habe, habe ich schon sehr früh eine Lücke zwischen mir und meinen Mitmenschen gespürt. Diese Lücke mochte ich nicht. Also habe ich angefangen, mich zu verstellen. Ich habe Anteile geleugnet, die zu mir gehören. Verdrängt, was mich eigentlich auszeichnet.

 

Eigentlich nicht verwunderlich, dass mein Selbstvertrauen unter diesen Umständen mehr und mehr verloren ging. 

Über zehn Jahre habe ich meiner Essstörung die Schuld daran gegeben. Die Essstörung war mein Sündenbock für alles: Dafür, dass ich mich so abscheulich, einsam, verloren, hilflos und alles andere als selbstbewusst fühle. Immer wieder habe ich mich gefragt, wieso ausgerechnet ich diese Essstörung habe und wieso ich es verdammt noch mal einfach nicht schaffe, zu heilen, obwohl ich mir so sehr gewünscht habe, mein Leiden zu beenden. Heute weiß ich es:

 

Heilung war möglich in dem Moment, in dem ich erkannt habe, dass es kein Kampf gegen die Essstörung ist. Die Essstörung war nie der Feind – auch wenn es sich oftmals genau so angefühlt hat. Die Essstörung war ein Resultat dessen, mein wahres Selbst verleugnet zu haben. Sie wollte mir nicht schaden. Stattdessen wollte sie mich zurück zu mir führen.

 

Auf meinem Weg aus der Essstörung habe ich gelernt, meine Andersartigkeit anzuerkennen und zu schätzen. Ich habe gelernt, dass es keinen Grund gibt, meine Anteile zu leugnen. Alles was ist, darf sein. Ich bin gut so, wie ich bin. Dieser Weg war es, der mich Schritt für Schritt zu mehr Selbstvertrauen geführt hat.

 

Auch wenn ich mich über Jahre für meine Essstörung verurteilt und abgelehnt habe, erkenne ich heute das Geschenk in der Essstörung und dem damit verbundenen Heilungsweg. Je nachdem, wo du gerade stehst, wirst du mehr oder weniger nachvollziehen können, dass ich aus heutiger Sicht sogar dankbar für meine Essstörung bin. Die Essstörung hat mich auf Missstände in meinem Leben aufmerksam gemacht. Der Heilungsweg hat mich gezwungen, hinzuschauen. Mich um all das zu kümmern, was mein Selbstbewusstsein so lange überlagert hat: Ungeheilte Wunden, destruktive Stimmen und Gedanken aus meinem tiefsten Inneren. Sich diese Dinge anzuschauen, sie aufzulösen, neue, positive Glaubenssätze zu verinnerlichen und Erfahrungen zu sammeln, ist meiner Meinung nach der ehrlichste und effektivste Weg zu mehr Selbstbewusstsein.

Wege zu mehr Selbstvertrauen

Wir warten so oft darauf, uns bereit zu fühlen. Bevor wir losgehen, wollen wir Gewissheit haben, dass alles gut wird. Doch wie schon gesagt: Es ist der (Heilungs-)Weg, der zu mehr Selbstvertrauen führt. Selbstvertrauen ist nichts, was im Kopf entsteht. Es entsteht in der Handlung. Im „Machen“. In unserem Kopf sitzt die Angst. Unser Verstand ist unglaublich kreativ, wenn es darum geht, auszumalen, was alles passieren kann: Für immer zunehmen, uns niemals wohlfühlen, von der Magersucht und Bulimie ins Binge-Eating. Kommen dir diese Gedanken nicht auch bekannt vor?

Ist es da verwunderlich, dass Selbstvertrauen gar nicht erst entstehen, geschweige denn heranreifen kann?

 

Wenn noch kein Selbstvertrauen da ist, wirst du folgende Sätze wahrscheinlich nicht wirklich fühlen können, ich sage sie trotzdem, weil ich hoffe, dass sie etwas in dir bewegen, du sie im Hinterkopf behältst, in ein paar Monaten zurückdenkst und verstehst, was ich damit gemeint habe:


„Vertraue darauf, dass egal was passiert, egal, wie aussichtslos eine Situation auch erscheint,

du immer eine Lösung finden wirst. Vertraue darauf, dass du mit allem,

was dir auf deinem Weg begegnen wird, umgehen können wirst.“


Wenn es dir in diesem Moment noch nicht gelingt, dir zu vertrauen, gelingt es dir vielleicht, mir zu vertrauen.

Ich bin denselben Weg gegangen. Und ich verspreche dir, dass genau das der Weg ist, der dich zu mehr Selbstvertrauen und damit auch Selbstbewusstsein führen wird.

Keine Angst vor dem Scheitern

Wir haben so oft Angst vor dem Scheitern. Aber weißt du was? Scheitern kannst du nur, wenn du da stehen bleibst, wo du jetzt bist.

 

Der Glaubenssatz „Ich schaffe das nicht“ war lange Zeit die am stärksten in mir wirkende Überzeugung. Dabei gab es in meinem Leben so viele Beweise, die mich vom Gegenteil hätten überzeugen können. Jedenfalls erinnere ich mich an eine Reihe von „Ach, so schlimm war’s gar nicht“-Momenten.

Ich bin mir sicher, dass es solche Dinge, Momente und Situationen auch in deinem Leben gibt. Dinge, Momente und Situationen, die dir zunächst unglaublich Angst bereitet haben, die du dann aber mit Bravour gemeistert hast. Oder Dinge, Momente und Situationen, die dich über einen längeren Zeitraum extrem herausforderten, inzwischen aber total normal geworden sind.

 

Eine Übung, die du im Anschluss an den Blogartikel machen kannst, ist folgende: Schreibe dir alle Ereignisse, all deine Erfolgserlebnisse, an die du dich erinnern kannst, auf. Du wirst überrascht sein, wie viel du schon geschafft hast. Das ist eine unglaublich wirksame Übung, dein Selbstvertrauen zu stärken.

Werde selbst-bewusst!

No one is you and that is your superpower!

Die Wahrscheinlichkeit, dass du als Mensch geboren wirst, liegt bei eins zu vierhundert Trilliarden. Selbst sechs Mal nacheinander im Lotto zu gewinnen wäre wahrscheinlicher.

Du bist hier, du bist am Leben, du hast es bis hierhin geschafft. Ist das nicht der absolute Wahnsinn?

 

Und dann gibt es auf dieser Erde keinen Menschen, der so ist wie du. Du bist einzigartig. Mit all deinen Fehlern, Schwächen und Macken. Vor allen Dingen aber mit all deinen wunderbaren Eigenschaften, Fähigkeiten und der Liebe, die du in dir trägst. Du bist ein Geschenk für diese Welt und darfst dir dessen wirklich bewusst werden. Hör auf dir einzureden, dass du nicht gut genug bist. Denn du bist es. Hör auf zu glauben, dass du anders sein solltest. Du bist genau richtig.

 

Ich hoffe, dass du wenigstens ein paar meiner Worte verinnerlichen konntest.

Dass sie dein Unterbewusstsein erreicht und etwas tief in dir ausgelöst, vielleicht sogar bereits verändert haben. Ansonsten darfst du dich in Vertrauen üben - jetzt weißt du ja, wie wichtig das ist.

 

Fühl dich von Herzen umarmt, wenn du magst.

 

Alles Liebe, 

deine Saskia

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