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#35 Periodenverlust durch die Essstörung - Wie gehe ich damit um?

Die Auswirkungen einer Essstörung sind so vielfältig wie die Essstörung selbst. Während über manches gesprochen wird (allgemeine Schwäche, Schwindel, Müdigkeit, ...), wird anderes (noch) viel zu selten thematisiert. Kaum einer traut sich, über Extremhunger, Verdauungsprobleme oder Periodenverlust zu sprechen. Dabei sind die Aufklärung und der Austausch meiner Meinung nach gerade bei vermeintlich unangenehmen Dingen von großer Bedeutung. Denn solange nur vereinzelt oder im schlimmsten Fall gar nicht darüber gesprochen wird, werden Tabuthemen Tabuthemen bleiben und damit ist im Endeffekt niemandem geholfen. Aus diesem Grund entscheide ich mich dafür, aufzustehen, mich zu zeigen und auf meinem Blog jedes Thema stattfinden zu lassen. Egal, ob Tabuthema oder nicht.**

 

Ich betone immer wieder, dass ich selbst noch auf dem Weg aus der Essstörung und noch nicht vollständig geheilt bin. Dass meine Periode nach wie vor ausbleibt, zeigt mir, dass mein Körper noch Zeit braucht. Dass er noch heilen darf. Dass er sich noch nicht sicher fühlt und ihm aktuell noch nicht ausreichend Energie zur Verfügung steht, als dass er sich neben der Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Funktionen auch noch um so etwas wie Fortpflanzung kümmern könnte. 

Wieso bleibt die Periode aus?

Essstörungen bedeuten Stress für den Körper.

Mangelernährung, Untergewicht sowie exzessiver Sport, aber auch die mit einer Essstörung einhergehende psychische Belastung versetzen den Körper in einen Ausnahmezustand. Stress wirkt sich negativ auf den Hypothalamus und die Hypophyse, die als wesentliche Drüsen zu unserem hormonellen Regelkreis dazugehören, aus. Unter normalen Umständen stimulieren sie die Ausschüttung von Hormonen, welche in unseren Eierstöcken zum Beispiel das Heranreifen von Eizellen sowie unseren Eisprung und damit auch unseren Zyklus steuern. Setzen wir unseren Körper über einen längeren Zeitraum vermehrt Stress aus, funktioniert die Ausschüttung der am Menstruationszyklus beteiligten Hormone nicht mehr oder nicht mehr richtig.

 

Die Folge? Die Regelblutung kann ausbleiben.

 

Das Ausbleiben der Periode im Ausnahmezustand unseres Körpers dürfen wir als seine Art, uns zu schützen, sehen: Da Körperfunktionen wie das kardiovaskuläre, das Verdauungs- oder das Immunsystem für unser Überleben eine weitaus bedeutendere Rolle als der weibliche Zyklus spielen, „spart“ unser Körper an dieser Stelle als Erstes ein. Hinzu kommt, dass es ohnehin stark gefährdend für unsere eigene, aber auch für die Gesundheit des ungeborenen Kindes wäre, würden wir tatsächlich schwanger werden.

Was passiert, wenn die Periode ausbleibt?

Anfangs hat es mich ehrlich gesagt nicht gestört, dass meine Periode ausgeblieben ist. Ich habe meine Periode von Anfang an als anstrengend empfunden: Eine Woche Unterleibs- oder Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen. Darauf konnte ich gut verzichten.

 

Zudem war mir bewusst, dass Mangelernährung und Untergewicht früher oder später zum Ausbleiben der Periode führen können. Demnach war der Periodenverlust für mich lange Zeit ein gutes Indiz dafür, „krank genug“ zu sein. 

 

Zu Beginn meiner Recovery hatte ich regelrecht Angst davor, meine Periode eines Tages wieder zu bekommen. Würde das nicht bedeuten, dass es meinem Körper wieder gut geht? Dass es mir wieder gut geht? Dass ich keine Essstörung mehr habe?

 

Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst hinzufügen, dass es Frauen gibt, bei denen die Periode über die Essstörung hinweg regelmäßig kommt und geht. Die Periode sollte kein Kriterium sein, an dem du festmachst, ob du „krank genug“ bist oder Hilfe verdient hast. Du darfst dir jederzeit Hilfe holen. Du hast zu jedem Zeitpunkt auf deinem Weg Hilfe verdient.  

 

Inzwischen habe ich verstanden, wie wichtig der Zyklus für meinen Körper ist. Denn je länger die Periode ausbleibt, desto mehr Fettreserven, Muskulatur, aber auch Knochensubstanz und Mineralspeicher werden angegriffen und nach und nach entleert. Im schlimmsten Fall führt das zu Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Unfruchtbarkeit.

 

Dauerhaft unfruchtbar zu sein – davor habe ich Angst. Wie wäre es, keine eigenen Kinder mehr bekommen zu können; gleichzeitig aber zu wissen, dass es möglich gewesen wäre, hätte ich mich mal besser um meinen Körper gekümmert? Gedanken wie dieser haben in mir ein tiefes Mitgefühl gegenüber meinem Körper ausgelöst. 

„Danke lieber Körper, dass du mich bis hierhin am Leben gehalten hast. Ich verspreche dir von jetzt an gut für dich zu sorgen und alles in meiner Macht stehende zu tun, um dir die Energie zur Verfügung zu stellen, die du benötigst, um endlich wieder ohne Einschränkungen funktionieren zu können.“

Wie unterstütze ich meinen Körper?

Meinen Heilungsweg ernst zu nehmen, bedeutet für mich, meinem Körper zu zeigen, dass er sicher ist. 

 

Ich habe mich ganz bewusst gegen eine Hormontherapie oder die erneute Einnahme der Antibabypille entschieden. Auch wenn ich meine Periode mit diesen Methoden vermutlich schneller wiederbekommen würde, setze ich auf natürliche Heilmittel. Eine Hormontherapie oder die die Antibabypille würden meine Periode ohnehin nur „künstlich“ erzeugen und damit zwar das Problem beheben, die Ursache aber verdrängen. Doch wie bei allem gilt auch hier: Schau, was sich für dich richtig anfühlt.

1.) Mönchspfeffer-Extrakt:

Mönchspfeffer wird seit Jahrhunderten als Therapie bei unregelmäßigen oder problematischen Regelblutungen eingesetzt und war das erste (natürliche) Mittel, das meine Frauenärztin mir in Bezug auf das Ausbleiben meiner Periode empfohlen hat. Ich nutze derzeit Mönchspfeffer-Extrakt, da Extrakt im Gegensatz zu Mönchspfeffer-Tee oder -kapseln eine höhere Konzentration besitzt.

 

Der Extrakt kann sanft in unser Hormonsystem eingreifen, Andockstellen des Nervenbotenstoffes Dopamin in der Hypophyse stimulieren und so die Ausschüttung des Stresshormons Prolaktin hemmen. Zudem besitzt Mönchspfeffer die Eigenschaft, Gelbkörperhormone regulieren zu können, die die Gebärmutterschleimhaut für die Einnistung der befruchteten Eizelle vorbereiten.

 

3.) Roter-Maca-Extrakt:

Maca ist in vier Hauptfarben erhältlich, wovon jede Farbe unterschiedliche Wirkungen erzeugt. Rotes Maca hat von allen Maca-Sorten den größten Einfluss auf das Gestagen-Östrogen-Gleichgewicht. Bei langfristiger Einnahme verhilft es zu einer regelmäßigen Periode und einer verbesserten Einnistung des Embryos in der Gebärmutter. Es sorgt zudem passgenau vor dem Eisprung für eine Zunahme der relevanten Hormone. Auch bei rotem Maca setze ich auf einen Extrakt anstelle von Kapseln.

 

4.) Ausgewogene Ernährung:

Während meiner Wettkampfvorbereitung waren Fette weitestgehend tabu. Dadurch habe ich eine unglaubliche Angst vor dieser Nährstoffgruppe entwickelt. Auch Kohlenhydrate waren lange Zeit problematisch.

 

Inzwischen weiß ich, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist. Ausgewogen – das bedeutet für mich, meinem Körper alle Nährstoffe zuzuführen und mir nichts mehr zu verbieten. Wir dürfen verstehen, dass es „schlechte“ oder „ungesunde“ Lebensmittel nicht gibt. Es ist schlichtweg unsere Bewertung einzelnen Lebensmitteln gegenüber, die „schlecht“ oder „ungesund“ ist. Ich habe vor fast einem Jahr aufgehört, meine Kalorien zu tracken und esse, wonach mir ist. Nudeln, Kartoffeln, Haferflocken oder Reis stehen genauso wie Nussmus, Nüsse und Schoki täglich auf meinem Speiseplan. Seit einiger Zeit gebe ich außerdem einen Esslöffel Leinöl in meine daily Müslibowl.

 

Jede Nahrungsmittelgruppe wirkt sich anders auf die Funktionsweise unseres Körpers und auch auf das Hormongleichgewicht aus. Nahrung ist der Treibstoff unseres Körpers. Nahrung ist nichts anderes als Energie. Und je mehr Energie wir unserem Körper zuführen, desto mehr Selbstheilungsprozesse werden in Gang gesetzt. 

 

5.) Sportpause:

Ich habe mich vergangene Woche finally für eine Sportpause entschieden. Ich habe vor einigen Wochen einen Artikel zum Sport- und Bewegungsdrang bei Essstörungen auf meinem Blog veröffentlicht, in dem ich ehrlich gestanden habe, dass auch ich nach wie vor ein Thema damit habe. Eigentlich wusste ich schon lange, dass eine Sportpause unumgänglich ist, wenn es darum geht, die Periode wiederzubekommen. Und doch habe ich mich bis letzte Woche nicht getraut, in die Umsetzung zu kommen.

 

Es macht mir immer noch eine unglaubliche Angst. Und doch weiß ich, dass mein Körper Zeit und Ruhe braucht, um sich zu erholen und zu regenerieren. Er braucht jede Energie, um sich voll und ganz der Heilung widmen zu können. In diesem Sinne: Durchhalten!

 

5.) Zunahme in Kauf nehmen:

Mit der Sportpause stelle ich mich auf eine weitere Zunahme ein. Ob ich mich davor fürchte? Oh ja.

Die Zunahme ist auch für mich eine echte Qual und mit das Schwierigste am gesamten Heilungsprozess. Doch wie schon gesagt: Von nun an mache ich meine Gesundheit zu meiner Priorität Nummer Eins.

 

Studien mit Frauen, die sich vom Periodenverlust erholt haben, zeigen eine Gewichtszunahme bis zu einem BMI von ungefähr 22-23. Obwohl ich den BMI als Maßstab schwachsinnig finde, mich ohnehin nicht mehr wiege und jede Frau anders ist, kann diese Angabe als grobe Orientierung dienen. Ganz wichtig: Versteife dich niemals auf ein Zielgewicht! Stattdessen: Lass den Dingen ihren Lauf und vertraue deinem Körper. Er wird sich bei dem Gewicht einpendeln, mit dem er sich am wohlsten fühlt und ohne jegliche Einschränkungen funktionieren kann.

 

6.) Auszeiten:

Wie schon erwähnt, kann sich Stress negativ auf den weiblichen Zyklus auswirken. Stress ist nicht nur ein hektischer Alltag oder eine lange To-do-Liste. Auch die psychische Belastung, die die Essstörung, und der Heilungsweg mit sich bringen, stellen für den Körper de facto puren Stress dar. Demnach ist es extrem wichtig, dir regelmäßig Auszeiten, Me-Time, zu nehmen. Dir selbst etwas Gutes zu tun.

 

In einer Gesellschaft, die kaum noch Pausen kennt und in der Stress ein Zeichen für Fleiß ist, ist es gar nicht so leicht, diesen Punkt umzusetzen. Versuche, bei dir zu bleiben. Du darfst verstehen, dass die Belastungsgrenze eines jeden Menschen individuell ist. 

Bei all diesen Dingen gilt es zu betonen, dass es keine Patentlösung gibt! Weder für die Essstörung an sich, noch für den Periodenverlust. Jeder einzelne Aspekt, den ich dir in diesem Beitrag vorgestellt habe, sollte als ein Teil auf dem Weg zurück zur Periode angesehen werden und oftmals ist es notwendig, an mehr als einer Stellschraube zu drehen, um langfristig Erfolg zu haben.

 

Natürlich werde ich meinen weiteren Weg mit dir teilen. Noch mehr würde ich mich darüber freuen, wenn wir ihn gemeinsam gehen. Are you in?

 

Alles Liebe, 

deine Saskia

**Ganz wichtig: Wenn ich über solche Themen spreche, möchte ich mich nicht als Expertin positionieren oder behaupten, dass der Weg, den ich gehe, der einzig richtige ist. Du kannst dir sicher sein, dass ich meine Beiträge nach bestem Wissen und Gewissen verfasse. Was du aber bitte nicht vergessen darfst, ist, dass ich aus Erfahrung spreche und nicht aus dem Lehrbuch.

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